gedankenvoll.de

Ein Jahr von und mit Alex Wehrle

Am 21. März 2023 feiert Alex Wehrle sein Einjähriges beim VfB oder sagen wir vermutlich, er würde es wohl gerne feiern. Mit den Mitarbeiter*innen vielleicht mit einem Glas Sekt anstoßen und auf das erste Jahr zurückblicken und sich über die gute Entwicklung freuen. Nur alleine, es gibt nichts zu feiern, der VfB steht auf dem 18. Platz in der Bundesliga und das Standing des neuen CEO bei den Fans war auch schon mal besser.

Ich bin jetzt vielleicht nicht die beste Person, die zu einer Einschätzung via Twitter über Alex Wehrle fragen sollte, aber ich habe es trotzdem einmal gemacht. Vorsichtig gesagt ist die Twitterwelt mit seiner Arbeit nicht sonderlich glücklich, geschweige denn zufrieden. Wehrle wurde uns vor einem Jahr als Nachfolger von Thomas Hitzlsperger präsentiert und kam mit – sagen wir mal – einer sehr unterschiedlichen Einschätzung aus Köln nach Stuttgart. Er wurde als absoluter Fachmann und Glücksgriff von Claus Vogt vorgestellt. Hatte mit der Wahl von Baumgart mit Sicherheit eine personell gute Entscheidung getroffen, aber auch Fußballkarusellgrößen wie Markus Gisdold, Horst Heldt und selbst Armin Veh stehen auf seiner Kölner Vita. Aber irgendwie Köln doch voran gebracht, internationales Geschäft, Aufstieg aus der zweiten Liga, aber zu welchem Preis. Denn die kritischen Stimmen gab und gibt es, vor allem aus dem Blogger und Podcast Umfeld des Effzeh. Finanziell schwierig – ein Scherbenhaufen, den seine Nachfolger nun mühsam aufkehren dürfen, auf der letzten Mitgliederversammlung gab es das für die Kölner schwarz auf weiß. Corona hin oder her, der 1. FC Köln muss noch einige Jahre mit den Hinterlassenschaften von Wehrle kämpfen.

Man muss vielen VfB Fans zu Gute halten, dass sie versucht haben Wehrle eine faire Chance zu geben, das habe ich sehr oft seinerzeit gelesen und auch jetzt auf meine Frage „Mich würde wirklich interessieren, wie ihr seine Arbeit bisher einschätzt„, wie z.B. als Antwort von @Kar0ne. Nur dann kam nicht viel, bzw. viel was man ihm positiv anrechnen kann. Fairerweise schreiben viele, dass man seine Arbeit als CEO nicht einschätzen kann, das sehe ich auch so, dazu fehlt uns allen der Einblick, wie ist der Umgang mit den Mitarbeiter*innen, was wurde intern angestoßen, Strukturen angepasst, ja vielleicht entwickelt oder verändert. Ich kann es nicht beurteilen, daher steht mir da auch kein Urteil zu. Gut zusammengefasst von u.a. @Britta1893 „Den Rest, also interne Abläufe etc. kann ich wie die meisten anderen auch nicht beurteilen“. Den gesellschaftspolitische Weg den sein Vorgänger Thomas Hitzlsperger eingeschlagen hat, wurde fortgeführt, wie auch Lennart festgestellt hat. Der VfB ist sich weiter seiner Verantwortung bewusst im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld. Hier wurde das Rad zum Glück nicht zurückgedreht.

Wirtschaftlich ist es für mich auch noch schwer zu greifen, große Neuverpflichtungen in der Sponsoren-Pyramide gab es noch nicht, das Trikotsponsoring und weitere Aktivitäten des Ankerinvestors sind fraglich, vor allem in der Höhe des Umfangs. Mit dem Sportfive Deal wurde versucht das aufzufangen, zu welchen Konditionen und mit welchen Auswirkungen ist schwer einzuschätzen. Es sieht nach außen eher nach einem Verpfänden der Einnahmen für die nächsten Jahre aus, nicht nach dem Finanzschub, den der stets klamme VfB braucht. Es sieht eher nach Brandbekämpfung aus. Ich würde es aktuell noch neutral bewerten, da das schlechte Verhältnis zu Daimler eher auch nicht Alex Wehrle anzukreiden ist.

Dann aber verlässt es uns VfB Fans schon, was uns an guten oder zumindestens neutralen Punkten über das erste Jahr von Alex Wehrle einfällt. Ein Daumen nach oben gab es aus Köln, ein „unterhaltsam“ aus Hamburg. Das sagt schon leider mehr aus, als Wehrle lieb sein kann. Es wird eher katastrophal in der Einschätzung. Ein sehr großes Manko ist seine Art der Kommunikation, die bei uns Fans sehr schlecht ankommt und vermutlich gegipfelt ist in dem leidigen „entspannt euch mal“ und der Pressekonferenz mit Lahm, Khedira und Gentner. Ein kommunikatives Fiasko. Entweder Wehrle war einfach naiv und dachte er kommt damit durch und würde ob der Personalien gefeiert werden oder hat sich einfach null mit den letzten Jahren des VfB Stuttgart beschäftigt und noch nichts von Wolfgang Dietrich und Michael Reschke gehört. Dann hätte es ihm klar sein müssen, dass die VfB Fans sehr sensibel geworden sind, was Personalentscheidungen trifft und wie mit den Fans kommuniziert wird. Die Fans nicht für voll, ihre Sorgen nicht ernst nehmen, ja sogar etwas überheblich und arrogant (auch eine Einschätzung von vielen) wirken – das kommt überhaupt nicht gut an. Das alles hätte Wehrle, mit ein bisschen Recherche oder Zuarbeit von seinem Kommunikationsprofi Kaufmann, wissen können und sich anders präsentierten bzw. kommunizieren. Das positivere und sympathischere Bild, welches der VfB durch seinen Vorgänger, aber auch Mislintat aufgebaut hat, in einem Jahr eingerissen.

Zu der schwierigen Kommunikation kommen nun vermehrt schwierige, vielen Fans nicht vermittelbare, Personalentscheidungen bzw. Entscheidungen. Das flapsige Runterspielen der Causa Mislintat inklusive der Hängepartie, die Verpflichtung von Gentner ohne Abstimmung mit dem eigentlich Vorgesetzten der ehemaligen Nummer 20, die Berater Khedira und Lahm. Das war schon alles eher zweifelhaft und sah nicht nach einer wirklichen Strategie aus, nicht geplant, nicht durchdacht und weder transparent noch nachvollziehbar – ein Kritikpunkt der sich durch viele Antworten zieht. Vor allem konnte Wehrle uns bis heute nicht die Entscheidungen sinnvoll erklären, was darin gipfelte, dass überhaupt nicht klar war was Gentner nun so genau beim VfB machen sollte. Die eilig hinterher geschobene Mitteilung, dass man Mislintat nicht über die Installation der drei informiert hatte, das nichts abgestimmt war – auf der Pressekonferenz hörte sich das genau noch anders an. Genau solche Alleingänge wollten wir VfB Fans nicht mehr sehen, das hatten wir unter Wolfgang Dietrich genug.

Dann kam die Entlassung (ja, man konnte sich nicht auf einen neuen Vertrag einigen – bla!) von Mislintat, das Absägen von Michael Wimmer und die Vorstellung von Bruno Labbadia. Das kommunikative Desaster ging in die nächste Runde und dazu kam nun noch der vermeintliche sportliche Todesstoss. Wimmer wurde, trotz drei Siegen in seinen wenigen Spielen, vor die Türe gesetzt, da man ja laut Wehrle „mit dem Rücken zur Wand stehe“ und mit Labbadia ersetzt. Einem Trainer, der bei sehr sehr vielen VfB Fans nicht gut in Erinnerung geblieben ist. Klar wir waren im DFB-Pokalfinale und das letzte mal international. Aber da tut ein Blick auf den damaligen Kader gut und wo wir die Saisons zuvor standen. In Erinnerung geblieben ist Fußball zum Abgewöhnen und ständiges Lamentieren von Labbadia, ob der schweren Situation. Diesen Mann holst du wieder aus dem Trainerkarussell nach Stuttgart, weil die Aussicht auf Erfolg am sichersten schien. Was viel über die sportliche Fähigkeiten und Einschätzungen von Wehrle und seinen Beratern sagt. Wie @Jens1893 schreibt, eben ein „Verwaltungsmensch ohne sportliche Qualifikation, der sportliche Entscheidungen trifft.“. Das beschreibt das Dilemma glaube ich sehr gut. Kreativ und innovativ konnte die Entscheidung nun wirklich niemand nennen, nicht einmal sportlich fundiert. Den Anstatz die „der jungen, aber defensivschwachen Mannschaft … Stabilität zu verleihen“ (@whitered1893) konnte man nachvollziehen, aber eben doch nicht ausgerechnet Labbadia. Ein Sieg aus zehn Spielen, Absturz auf Platz 18 sind die Schreckensbilanz und leider keine Einsicht auf Korrektur der Entscheidung, auf Fehlerkorrektur. Der VfB scheint führungslos dem Abstieg Stück für Stück entgegen zu taumeln. Als Krisenmanager oder Führungspersönlichkeit fällt Wehrle an seinem einjährigen Jubiläum aktuell leider nicht auf. Um es mit den Worten von @Ente_95 zu sagen zeigt sich Wehrle „aktuell handlungsschwach, indem er offensichtliche Fehler nicht korrigiert und somit denkt er kann sein Gesicht wahren.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. An der Misere trägt auch er keine Schuld, laut einem aktuellen Artikel von Georg Preiss sieht Wehrle „In Mislintats Kaderzusammenstellung die Hauptursache für die aktuelle Misere.“ (Stuttgarter Nachrichten, 20. März 2023). Dabei ist er doch laut eigener Aussage an 17 Transferaktivitäten in diesem Sommer mit Mislintat beteiligt gewesen, in seiner Funktion als Sportvorstand. Alles mit abgenickt oder über seinen Tisch gegangen. Fehler eingestehen, Fehler korrigieren, also eine Fehlerkultur leben, das ist Wehrle komplett fremd, es waren immer die anderen. Dazu, wenn der Kader von Mislintat so schlimm ist, warum hätte er dann gerne mit ihm weitergearbeitet und hat ihm ein neuen Vertrag unterbreitet oder war das vielleicht einfach gelogen? Das gepaart mit der nicht vorhanden Führung der AG in Krisenzeiten ist eine explosive Mischung und vor allem ein Armutszeugnis für einen CEO.

„Ich glaube ihm, dass er sehr bemüht ist.“ hat @mta1209 auf meine Ausgangsfrage geantwortet und das ist glaube ich die beste, aber auch schlimmste Einschätzung, die es für das erste Jahr unter Wehrle gibt. Er hat bestimmt viel versucht und getan, aber in seinem wichtigsten Bereich, dem Sport, ist er „krachend gescheitert“ (@_brathering_).

Möge es sein einziges Jubiläum sein, welches er beim VfB feiern kann.

Ich danke allen, die geantwortet haben und ihre Einschätzungen und Meinungen mit eingebracht haben!