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Ein Burgfrieden, der keiner war

Mittlerweile gibt es eigentlich keine Zeit im Jahr mehr, in dem unser Verein zur Ruhe kommt. Sehr beliebt ist weiterhin die Vorweihnachtszeit mit offenen Briefen oder Stellungsnahmen. Nun startet 2023 auch gleich mit dem nächsten Knall, mit dem Rücktritt von Susanne Schosser und Martin Bizer. Die beiden Vereinsbeiräte legen ihre Tätigkeit nieder. Nicht nur das, mit ihren offenen Briefen geben sie tiefe Einblicke in die Gremienarbeit beim VfB mit vielen Vorwürfen und Anschuldigungen gegenüber, wenn auch nicht namentlich genannt, Claus Vogt, Rainer Adrion und auch Andre Bühler, sowie dem Vereinsbeirat generell.

Ein tiefer Riss geht durch unseren Club. Dieser Riss gefährdet alles, worauf wir zu Recht stolz sind.

Kommt euch das noch bekannt vor? Oder die Aussage hier:

Im Verlauf der vergangenen Monate hat sich ein Kreis um den Präsidenten gebildet, der seine Ziele in einer Art und Weise verfolgt, die unserem Club massiv schadet. Der zuletzt öffentlich über Dritte ausgeübte Druck auf die Mitglieder des Vereinsbeirats ist hierfür ein Beispiel.

Das ist deutlich älter, aber die Aussagen gleichen sich denen von Susanne Schosser und Martin Bizer. Es liegen über zwei Jahre zwischen dem offenen Brief von Thomas Hitzlsperger und den Schreiben von Schosser und Bizer. Wer den offenen Brief nochmal nachlesen mag, kann das bei den Kollegen des Vertikalpass tun. Druck auf Vereinsbeiräte ausüben, keine Transparenz, schlechte Kommunikation. Was haben Hitzlsperger und die zwei zurückgetretenen Vereinsbeiräte miteinander zu tun? Nichts, gar nichts. Sie sind sich noch einige Wochen vielleicht beim VfB einmal über den Weg gelaufen, aber sie können weder unter einer Decke stecken noch irgendwie einer gemeinsamen Opposition gegenüber Claus Vogt und seinen Mitstreitern angehören. Nur warum ähneln sich die Aussagen so? Es haben ja nun auch andere den VfB mittlerweile verlassen. Ähnliche Aussagen, ähnliche Probleme. Gehören jetzt also alle, die den VfB verlassen oder ihre Funktion aufgegeben haben, zu einer großen Verschwörungsgruppe, die dem Präsidenten und seinem Team schaden möchte? Idealerweise vom Freundeskreis und Daimler gesteuert?

Was manche vergessen, dass Bizer und Schosser, wie auch Christian Riethmüller ja nicht „Gegner“ des Präsidenten waren. Sie haben in der Datenschutzaffäre sich deutlich auf die Seite von Claus Vogt gestellt. Es gab ein gemeinsames Schreiben, eine Aufforderung zum Rücktritt von Rainer Mutschler (nachzulesen auf z.B. Twitter). Was haben sie mit Pierre-Enric Steiger zu tun, der das Rechtsgutachten in Auftrag gegeben hat? Alles die „anderen“, die „Bösen“, die einen Sturz des Präsidenten wollen? Bertram Sugg der im Aufsichtrat ausgebootet wurde, gehört der auch dazu? Wir haben also lauter unterschiedliche Menschen, die teilweise wenig miteinander zu tun hatten, aber sie eint eines: sie haben Probleme mit dem Umgang, der Kommunikation, der Transparenz und eben keiner konstruktiven Zusammenarbeit. Da können sich der Vereinsbeirat und Rainer Adrion in ihren Schreiben und Michael Astor auf Twitter zwar hinstellen und sagen, dass das alles nicht stimmt und alles von sich weisen, von der besten/einer guten Gremienarbeit sprechen, die es je gab. Einzig und alleine, wer kann das noch glauben.

Das kommt mir vor wie beim dem alten Witz als die Radiodurchsage „es kommt ihnen auf der A8 ein Geisterfahrer entgegen“ kommt und die Reaktion „Einer? Hunderte!“ ist. Vielleicht sollten sich die Beschuldigten doch einmal überlegen, ob es vielleicht auch ein bisschen an ihnen liegt und nicht nur an den vielen anderen, denen der VfB auch am Herzen hängt. Auch wenn dies oftmals versucht wird so darzustellen, es gibt nicht „die Opposition“.

Die Unstimmigkeiten gab es schon lange vor dem Thema, um das sich aktuell so viel dreht: die möglichen Verstöße der Vereinsbeiräte Schlecht und Bühler. Wie das so oft bei rechtlichen Dingen ist, ein Gutachen, eine rechtliche Einschätzung ist je nach Auftraggeber anders gefärbt. Daher überrascht es wenig, dass die VfB internen und exteren Einschätzungen wohlwollender sind, wie jene, die nicht vom VfB beauftragt wurden. Das Vereinsbeiräte da vielleicht nicht mit zufrieden sind, finde ich legitim und den Mitgliedern gegenüber auch absolut ehrenwert. Nun, so wurde es uns kommuniziert, hat man beschlossen, dass man die Einschätzung der VfB Anwälte zu mitzutragen hat, auch nach außen. Wenn man aber davon einfach nicht überzeugt ist, bei Susanne Schosser und Martin Bizer war das wohl der Fall, ja dann kann man da zwar – notgedrungen – zustimmen bei der Entscheidung, aber zufrieden und glücklich wird man damit nicht. Vielleicht hat man das Gefühl es den Mitgliedern oder sich selbst schuldig zu sein, eine zufriedenstellende Antwort zu erhalten. Wenn das nicht mehr möglich erscheint, man intern gegen eine Wand ankämpft, dann tritt man auch den Gang an die Presse/Öffentlichkeit an. Ist das der gewünschte Weg? Nein. War es der letzte Ausweg? Vermutlich ja. Du kannst nach außen sagen, wir haben ein Burgfrieden, nur wenn der halt nicht mit Zustimmung aus voller Überzeugung von allen getragen wird, dann ist das ein sehr brüchiges Konstrukt.

Die Gegendarstellungen des VfB (Vereinsbeirat und Adrion) lassen bei genauem Lesen, vor allem zwischen den Zeilen, doch einige Rückschlüsse zu. Generell werden die Anschuldigen von sich gewiesen, aber die Anschuldigung Rainer Adrion hätte den Kritikern gesagt „diejenigen die den Standpunkt des Präsidenten nicht teilen, doch die Konsequenzen ziehen sollten“ wurde nicht direkt widersprochen. Auch das „Kommunikationswege eingehalten“ (Aussage Vereinsbeirat) werden müssen, das also ein Vereinsbeirat nicht einfach Kontakt zu Mitgliedern der AG aufnehmen kann, ohne bei den Vorsitzenden/Präsidium eine Genehmigung zu haben, wurde bestätigt. Es wurde nur netter beschrieben, eben mit dem Hinweis auf Regeln und Kommunikationswege. Seit den Briefen ist Michael Astor aktiv auf Twitter unterwegs. Erst einmal ein Fakt den ich sehr begrüße, nachdem sich ein anderer, früher sehr aktiver Twitterer des e.V., sehr zurückgenommen hat. Astor hat auf viele meiner Tweets reagiert und geantwortet, als ich wieder – ja mache ich gerne – überspitzt formuliert habe.

Zudem wurden von den „Anderen“ Unwahrheiten verbreitet, die widerlegt wurden. #VfB

Michael Astor (Twitter)

Nun weiß ich bis heute nicht was widerlegt ist, was die Unwahrheiten sind. Für die Verstöße gibt es unterschiedliche Gutachten/rechtliche Einschätzungen, daher kann man meiner Meinung nach noch nicht sagen, was nun Wahrheit oder Unwahrheit ist. Die Anschuldigungen in den Briefen wurden nicht widerlegt, es wurde widersprochen. Ein kleiner aber feiner Unterschied. Ich bin der festen Überzeugung, dass beide zwar drastisch formuliert, aber in ihren Schreiben nicht gelogen haben, so wie es unser ehemaliger CEO auch nicht getan hat. Sie wurden als Lügner*in hingestellt. Denn wer nicht die Wahrheit sagt oder Unwahrheiten verbreitet, der lügt. Das Framing funktioniert aber nicht. Für mich stehen hier Aussage gegen Aussage, bzw. Rechtsgutachten gegen Rechtsgutachten.

Den noch aktuell Verantwortlichen wünsche ich, dass sie sich mal etwas mehr hinterfragen, Thema Geisterfahrer. Dem Verein wünsche ich, dass etwas Ruhe einkehrt und mit der Rückkehr der Bundesliga der Fokus auf das Sportliche gelenkt wird. Die Themen sind aber nicht vergessen und werden wieder auf den Tisch kommen und es dann hoffentlich im Sinne von Rainer Adrion läuft und „diejenigen […] die Konsequenzen ziehen sollten“ dies auch tun. Hoffentlich spätestens nach dem Klassenerhalt.