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Völlig losgelöst

Na, ihr erwartet doch jetzt, dass ich die Entscheidungen von Wehrle und Vogt als völlig losgelöst von der Realität und von dem was sich viele Fans wünschen bezeichne. Prinzipiell liegt ihr da da gar nicht so falsch, aber das soll heute nicht das Thema sein. Mir geht es viel mehr darum die Entscheidungen und die Personen losgelöst zu betrachten, auch wenn mir das zugegeben nicht einfach fällt. Natürlich werden Labbadia und Wohlgemuth immer mit Wehrle und auch der Zustimmung durch Vogt und den Aufsichtsrat (nicht alle!) verbunden bleiben.

Gleich vorweg, wenn Labbadia mit dem Team die Klasse hält, dann ändert das nichts daran die Entscheidung und Wehrle weiter zu kritisieren. Auch wenn Ubina dann wieder einen Artikel schreiben wird und auf die Schlange von der Mercedesstraße bis zur Geschäftsstelle wartet, mit Fans, die sich bei Wehrle (und Vogt) entschuldigen müssen. Nur weil das kurzfristige Ziel erreicht ist, heißt das noch lange nicht, dass wir uns mittelfristig besser aufgestellt haben. Eine Entscheidung für einen gewissen Herr Korkut sollte uns gelehrt haben, eine solche Trainerentscheidung noch nicht nach einigen Monate zu bewerten. Die Wahrheit folgt dort in der Regel mit etwas Abstand. Zur Sicherheit: wir brauchen dann auf einer MV im Jahr 2023 auch kein Bonbon mit einer Vertragsverlängerung bis 2026.

Schauen wir einmal auf Fabian Wohlgemuth. Sein erster Auftritt war solide, paar Floskeln, der Versuch mit dem „ich hab nicht viele lächeln sehen“ fand ich persönlich eher so semi. Das die Jungs bei der Vorstellung des neuen Trainers vielleicht nicht gerade um die Wette strahlen ist irgendwie verständlich – außerdem wer hat schon jeden Tag einen guten Tag. Aber ansonsten merkt man ihm an, dass er sich auf mehr Medienpräsenz, mehr Fragen und mehr im Scheinwerferlicht gewöhnen muss. Paderborn dürfte hier eine andere Liga sein. Nicht nur von der fußballerischen Zugehörigkeit. Versuchen wir kurz auszublenden, dass sein Vorgänger Sven Mislintat war. Nach einem Michael Reschke oder Robin Dutt hätten wir uns über einen in der zweiten Liga sehr gut arbeitenden Sportdirektor vermutlich sehr gefreut. In Paderborn hat er mit überschaubaren Mitteln und klugen Transfers eine offensiv spielende Truppe auf die Beine gestellt. Am Ende der Saison wurden die besten Spieler verkauft (kommt mir irgendwo her bekannt vor) und irgendwie ging es doch wieder weiter. Dass er bei der Trainerentscheidung kein Wort mitreden konnte und versuchte die Frage auf der Pressekonferenz halbwegs zu umschiffen. Geschenkt. Das war nicht sein Fehler, sondern der von Wehrle (und Khedira), der sich schon lange auf Labbadia festgelegt hatte. Ich finde, der Mann hat eine faire Chance verdient und kann sich mit einer möglichen Vertragsverlängerung von Silas schon gleich mal in die Herzen der VfB-Fans bringen. Ansonsten bin ich sehr gespannt wie er seine Art zu transferieren in die Bundesliga überträgt, da dritte und zweite Liga nun nicht mehr die passenden Jagdgefilde sein dürften.

Bei Bruno Labbadia fällt mir das mit dem losgelöst schon deutlich schwieriger. Zu viel Vorgeschichte hier beim VfB, zu viel schlechte Erinnerungen an katastrophalen Fußball. Das Argument, welches Labbadia selbst auf der Pressekonferenz brachte, dass er ja der letzte Trainer war, mit dem sich der VfB für den internationalen Fußball qualifiziert hatte. Richtig. Aber. Labbadia hatte hier übernommen mit einer Mannschaft, die in der Vorsaison noch im CL-Achtelfinale stand. Nur so zur Einordnung. Wir hatten also einen Kader, mit dem man schon theoretisch international spielen konnte, heute stellt sich die Situation natürlich ganz anders da. Jugendarbeit. Wehrle war sich nicht zu schade Timo Werner und Antonio Rüdiger zuzuschreiben. Bei Werner ist das schlichtweg eine Frechheit, der über alle Wettbewerbe hinweg wenige Minuten unter Labbadia im Einsatz war und an Rüdiger kam selbst Labbadia schlichtweg nicht vorbei. Beide hatten die Fritz-Walter-Medaille in Gold gewonnen – sooo viel braucht man da nun nicht mehr entdecken. Aber auch Labbadia wollen wir zuschreiben, dass sich jemand in zehn Jahren verändern kann, wie Marc von HerthaBase uns im BrustringTalk erzählte. Denn in Berlin kamen nach dem Klassenerhalt doch einige Jugendspieler zu ersten Einsätzen in der Profimannschaft. Selbst fußballerisch, siehe ansatzweise in Berlin und vor allem in seiner zweiten Saison in Wolfsburg kann es besser aussehen, wie eine Spieleröffnung Ullreich auf Harnik (oder ins Aus). Die Themen frühes Training dreimal die Woche (ja, das freut ein gewisses Klientel, welches sich immer ne harte Hand wünscht) und andere Aussagen in der Pressekonferenz tue ich mich eher schwer. Es hörte sich teilweise so an, als ob der VfB abgeschlagen auf dem letzten Platz stehen würde und ein Klassenerhalt ein Fußballwunder wäre. Ich will es so sagen: mir wäre es lieber gewesen Bruno hält uns die Klasse, dicke Prämie (die gibt es ja so oder so) und dann neuer Trainer. Losgelöst, ich stelle mir vor Bruno wäre hier noch nicht Trainer gewesen, Wehrle hätte ihn nicht eingestellt, Vogt das nicht durchgewunken: viel Erfolg für den Klassenerhalt, Bruno.

Das die zwei „Neuen“ auf der Pressekonferenz noch die beste Figur abgegeben haben, ist leider auch bezeichnend. Wehrle habe ich nur wahrgenommen, dass er sich von Phrase zu Phrase gehangelt hat und sämtliche Bullshit-Bingo-Kärtchen wohl am Ende voll waren. Ja, ich bin voreingenommen, aber da war nur heiße Luft und es war zu erkennen, dass der Weg aktuell nur daraus besteht, irgendwie die Klasse zu halten und sich dafür finanziell für einen Trainer mit Team weit aus dem Fenster zu lehnen. Ihr wisst schon. 40 Mio. Was machen wir eigentlich wenn wir absteigen, dann haben wir das Problem mit den 40 Mio und noch viel Geld für Labbadia verbrannt. Auch bei ihm hörte es sich so an, als ob das rettende Ufer zehn Punkte entfernt wäre und wir noch fünf oder sechs Spieltage hatten. Ein Blick auf die Tabelle zeigt mir, natürlich ist die Situation nicht schön, aber noch weit weg davon aussichtslos zu sein. Auch vergessen, wie das Team zusammen mit vollem Einsatz sich zum Sieg gegen Hertha oder Augsburg gekämpft hat. So arg am Ende, kann die Mannschaft meiner Meinung nicht sein, sonst wären solche Siege des Willens nicht möglich gewesen, das haben aber die Drei ignoriert. Von Wehrle im speziellen, ein kurzer Dank an Mislintat, irgendein warmes Wort. Nichts. Schlechter Stil. Mal wieder. Wie bei der Pressekonferenz mit Khedira, Lahm und Gentner. Kommunikation seit Wochen, ja seit Monaten: Glatte 6. Setzen.

Also, Fokus auf das sportliche, Unterstützung für das Team (immer), faire Chance für Wohlgemuth und so gut es geht für Labbadia. Die Herren Wehrle und Vogt kommen aus der ganzen Nummer der letzten Monate nicht mehr raus, auch wenn die Klasse gehalten wird. Das kann ich dann völig losgelöst betrachten. Ging schon bei Dietrich und dem Klassenerhalt unter Korkut.